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Geteilte Ressourcen: Das Archiv der Korporation Ramersberg

Zu den bereits im Staatsarchiv aufbewahrten Korporationsarchiven Freiteil, Kägiswil und Kleinteil gesellt sich neu jenes der Korporation Ramersberg – eine wichtige Ergänzung, denn nun kann die Geschichte der vier Sarner Korporationen gemeinsam erforscht werden.

Wie gehen Gesellschaften mit knappen gemeinschaftlichen Ressourcen um? Wie oft bei Fragen, die uns in der Gegenwart beschäftigen, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. In den letzten Jahren hat insbesondere das Interesse an Allmenden – also gemeinschaftlich genutzten Weiden, Alpen und Wäldern – stark zugenommen. In Obwalden ist die Forschung dabei auf die Archive von Korporationen (auch Teilsamen genannt), Bürgergemeinden und Alpgenossenschaften angewiesen, die den Zugang zur Allmende regelten und auch heute noch den Grossteil der Obwaldner Alpen und Wälder bewirtschaften. Eine davon ist die Korporation Ramersberg, deren wertvolle historische Bestände bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen und neu im Staatsarchiv Obwalden zugänglich sind.

 

Wer darf teilen?

Wie viele Korporationen bildete sich jene in Ramersberg im Spätmittelalter als Institution heraus, die den Zugriff auf die Allmende regelte. Die gemeinsam genutzten Wiesen und Alpen boten den sogenannten "Teilern" – also jenen, die zu ihrer Nutzung berechtigt waren – in erster Linie Weidefläche; der Wald lieferte Bau- und Brennholz sowie Nahrung für Mensch und Vieh. Die Allmende stellte also einen Teil der Grundversorgung der Teiler sicher und erlaubte es auch jenen unter ihnen Vieh zu halten, die keine eigenen Weideflächen besassen.

Voraussetzung für die Nutzung der Allmende war zunächst der Wohnsitz bzw. ein eigener Haushalt im Korporationsgebiet. Einen kleinen Einblick in die frühe Zusammensetzung der Korporation Ramersberg bietet ein "Steuerrodel" von 1499 (P.0074.02.01), das nacheinander die einzelnen Haushalte, ihre Liegenschaften und deren geschätzter Wert erfasst. Dadurch wird einerseits das grosse Gefälle zwischen den einzelnen Haushaltungen sichtbar: Die Spanne reicht von Jochli, dessen Hofstatt nahe am Dorf auf 20 Pfund geschätzt wurde, bis zu Caspar Hentzli, dessen zahlreiche Wiesen und Alpen sich auf 2000 Pfund beliefen. Gleichzeitig erfährt man etwas über die Zusammensetzung der Haushaltungen in Ramersberg. Neben männlichen Hausherren finden sich in der Liste auch Kinder, die als Erben ihrer Väter auftreten, und einige Frauen – etwa Barbly Schwitter, die eine Hofstatt, Güter und Wiesen im Wert von 820 Pfund besass, oder Tori Schwitter, deren Güter separat aufgeführt wurden und diejenigen ihres Mannes Caspar Stalder um ein Dreifaches überstiegen.

Steuerrodel 1499
Das Ramersberger "Steuerrodel" von 1499 (P.0074.02.01)

Der Wohnsitz im Korporationsgebiet blieb zwar auch in der Folge eine zentrale Voraussetzung für die Nutzung der Korporationsalpen und -wälder. Im Laufe der Frühen Neuzeit wurde das Teilenrecht und damit auch der Zugang zu zentralen natürlichen Ressourcen aber zunehmend auf langansässige Familien beschränkt und Neuzugezogenen erschwert. Die Folge waren zahlreiche Nutzungskonflikte, die oftmals vor Gericht ausgetragen wurden und die einen Grossteil des älteren Korporationsarchivs ausmachen.

 

Wem gehört der Wald?

Die Ramersberger stritten nicht nur untereinander über die Nutzung von Wald und Alpen, sondern auch mit anderen Sarner Korporationen. Mal ging es um die Korporationsgrenzen, mal um Wegrechte; mal spazierte Vieh in fremdes Korporationsgebiet, weil jenes nicht ausreichend eingezäunt war.

Urkunde Detail
Detail aus einem Urteil des Fünfzehnergerichts betreffend einen Grenzstreit zwischen Ramersberg und Schwendi (P.0074.01.01.22)

 

Besonders der Ramersberger- und Zimmertalerwald, wo sich die Nutzungsrechte Ramersbergs mit jenen von Kägiswil und Freiteil überschnitten, boten regelmässig Anlass zu Streit. In sogenannten "Holzordnungen" wurde daher festgelegt, wie die Teiler der drei Korporationen den Wald nutzen durften (P.0074.02.04). Ein wichtiger Grundsatz war dabei, dass nur der Eigenbedarf gedeckt werden sollte und "zur fortwährenden Erhaltung der Waldungen jeweilen nur so viel Holz geschlagen werde [durfte], als es der nachhaltige Ertrag gestattet" (Holzordnung 1879, P.0074.02.12). Als rufschädigend wurde daher der Vorwurf des Oberförsters Kathriner im Forstbericht von 1895 empfunden, der Ramersbergerwald sei durch "unverschämtes Streumähen" stark in Mitleidenschaft gezogen worden (T.11.02.18, S. 5). Der Oberförster wurde kurzerhand vor Gericht zitiert, wo die zahlreichen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Urkunden aus dem Archiv der Korporation herangezogen wurden, um das lang zurückreichende Recht an der Nutzung des Waldes zu belegen (P.0074.02.12).

 

Archivallmende

Im Zuge der Erschliessung wurden die Originale dieser Urkunden, von denen die älteste aus dem Jahr 1395 stammt, digitalisiert und online zugänglich gemacht (P.0074.01.01.01-24). Gemeinsam mit den anderen Beständen der Korporation Ramersberg und in Kombination mit den Korporationsarchiven Freiteil (P.0067), Kleinteil (P.0030) und Kägiswil (P.0061) bieten sie wichtige Einblicke in eine Institution, deren Geschichte eng mit der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Entwicklung des Kantons verknüpft ist. Mit dem Archiv der Korporation Ramersberg ist nun ein weiteres Puzzleteil dieser Geschichte Teil der kulturellen "Allmende" im Staatsarchiv Obwalden geworden.

 

 

Quellen:

P.0074: Depot der Korporation Ramersberg

 

Literatur zum Thema:

Kiem, Martin: Urkunden und Urkunden-Regesten der Theillade Ramersberg, Pfarrei Sarnen. In: Der Geschichtsfreund: Mitteilungen des Historischen Vereins Zentralschweiz 29 (1874), S. 303-329.

Liechti, Karina: 'Transformation, diversification, partnerships. The case of the Sarner commoners' organisations (Canton Obwalden)'. In: Tobias Haller, Karina Liechti, Martin Stuber et al. (Hg.): Balancing the Commons in Switzerland. Institutional Transformations and Sustainable Innovations. London 2021, S. 147-188.

Omlin, Hans: Die Allmend-Korporationen der Gemeinde Sarnen (Obwalden). Stans 1913.

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